U p T o T h r e e D o c u m e n t a t i o n
«Meine ‹studies for portraits› für verschiedene Solo-Instrumente beginne ich mit diesem Projekt um eine Ebene zu erweitern: Dem Soloinstrument wird eine Umgebung zugeordnet, die mit diesem interagiert und mit dem auch das Soloinstrument interagiert. Die Umgebung bedingt uns genauso, wie wir unsere Umgebung bestimmen. Von diesem einfachen Ausgangspunkt entwickelt sich Material, Form, Art und Weise der Interaktion, Transformationsprozesse, musikalische Struktur. Der Ausgangspunkt in ‹studies for portraits in a surrounding (with JLG) - phase 1 (work in progress)› sind lose Portraitfolgen, die Filmszenen sein könnten: Aus diesen fiktiven Portraits wird musikalisches Material generiert. Empfindungen, Ausdruck, Verhaltensformen, Gesten der fiktiven Person werden übertragen ins Akustische. Gemäß der Beobachtung, dass alles von uns Erfahrene auf verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung gleichzeitig andockt – die verschiedenen Modi der Wahrnehmung gleichzeitig aktiv sind, um ein vollständiges Erleben (ein umfassendes) zu ermöglichen –, kehre ich diesen Prozess um und erstelle musikalisches Material aus diesem ‹embodyment› respektive der kognitiven Struktur der Wahrnehmung. Das Material wird aber auch gleichzeitig aus der idiomatischen Instrumentaltechnik der Oboe entwickelt – die Bedingungen des Instruments sind auf diese Weise kongruent zu dem aus der Wahrnehmungsstruktur entwickelten Material. Der Ebene der Umgebung liegen Sound-Samples unserer Umgebung zugrunde: Straßengeräusche, Körperklänge, Gespräche, Situationen wie Café- oder auch menschliche Ausdrucksklänge für bestimmte Empfindungen. Diese dokumentarischen Klänge werden zu Klangfeldern komponiert, verdichtet, künstlich und dennoch unsere Erfahrungen widerspiegelnd. Komponiert wird nun mit diesen Materialien im Sinne einer Bearbeitung derselben – und der transformativen Interaktion. Die Samples werden gefiltert durch Tonhöhenstrukturen und -qualitäten, welche die Samples mit der Oboe verschmelzen. Die Oboe wiederum hinterlässt ihre Spur in den Samples, indem ihre Klangeigenschaften den Samples (elektronisch) eingeschrieben werden. Der Weg der Transformationen geht Wege der strukturellen Überformungen, Neubildungen, Überschreitungen des Klangmaterials und lässt ein Geschehen entstehen, das von den Portraits nichts direktes erahnen läßt, diese aber verdichtet zu Empfindungs-Clustern, die im Hören Sinn erstellen wollen, der spezifisch und ‹unerhört› sein will – der gebunden an unsere Erfahrung diese dennoch übersteigt, hin zu einem idiomatisch-musikalischem Sinn: unübersetzbar, reich, vielschichtig und dennoch präzise und klar.» – Clemens Gadenstätter 08/2020