U p T o T h r e e D o c u m e n t a t i o n
Diese Studie beschäftigt sich vor allem mit dem Lautsprecher als akustischem Klangkörper und dessen Verbindung mit live gespielten Instrumenten. Heute wird Musik in den allermeisten Fällen aus Lautsprechern gehört. Der allergrößte Anteil der gehörten Musik ist in Studios produzierte Musik, das heißt Musik, die ohne jeglichen akustischen Raumanteil zu hören ist. Der Klang ist möglichst direkt abgenommen, ohne Tiefenstaffelung, Hall (höchsten hörbar künstlich und stilisiert), aber ohne bewusstes Ausnutzen eines akustischen Raumklangbildes wie beispielsweise bei klassischer Konzertmusik. Der Lautsprecher ist normalerweise nicht als Klangerzeuger innerhalb eines Raumes gedacht, vielmehr soll er – ähnlich der Leinwand im Kino – verschwinden. Wenn Musik mit Kopfhörern gehört wird, verschwindet zudem diese Distanz komplett, das vollständige Versinken in virtuell erstellten Schallräumen ist hier die Regel. Als Gegenentwurf dazu dient diese Studie, in der zwei Lautsprecher direkt mit den beiden Instrumenten verbunden sind, am Violoncello ein Transducer und an der Bassklarinette ein kleiner 5-Watt Lautsprecher an der Stelle des entfernten Schallbechers. So färbt das Instrument mit seinem Resonanzkörper einerseits unmittelbar den Schall der Lautsprecher ein, andererseits ermöglicht dies auch so die gezielte Anregung bestimmter Resonanzfrequenzen und Klangfarben der Instrumente. Die Bassklarinette kann durch Öffnung verschiedener Klappen, durch die Distanz zum Mundstück und sogar die Vokalgebung des Mundraums den Klang gezielt filtern, das Violoncello verstärkt den Transducerklang im Tieffrequenzbereich und durch das Abdämpfen oder Mitschwingen lassen verschiedener Saiten ist auch hier eine Einfärbung und Veränderung des Klangs möglich. Ziel dieses Setups ist es, dass die Instrumente neben ihrer klassischen Klangproduktion gleichzeitig als Lautsprecher mit jeweils eigener akustischer Färbung dienen und sich so eine Verschmelzung elektronischer und akustischer Klänge ergibt, die einerseits die minimalistischen, simpel erzeugten elektronischen Klänge in eine konkrete Körperlichkeit überführt, und andererseits durch die starke Einfärbung der traditionell produzierten Klänge das „historische Sediment“ der beiden Instrumentalklangfarben herausgefiltert wird. Dort gibt es keinen „sweet spot“ mehr, an dem der Höreindruck ideal ist (meistens befindet sich der nämlich genau hinter dem Mischpult). Die Elektronik soll eben nicht nur zusätzliche Stimme sein und reine Projektion eines virtuellen Klangraums, sondern mit dem akustischen Raum und den akustischen Instrumenten ein Zusammenspiel bilden. Das heißt aber auch, (im Grunde wie bei aller Live-Musik) dass das Stück im Grunde nur live richtig funktioniert, da jede Aufnahme, jede Reduktion auf einen virtuellen akustischen Raum die unmittelbare Klangerfahrung nicht adäquat wiedergeben kann. In diesem Stück ist es allerdings besonders deutlich, dass Aufnahmen in vielen Fällen nur Surrogate sein können – sie sind aber immerhin besser als nichts. Die kurze Episode der konkreten Klänge besteht aus den jeweils ersten Sätzen der Tagesschau seit den ersten Corona-Todesfällen in Deutschland. Hier ist es auch der dokumentarische Charakter, der mich interessiert. So ist das Stück, dass während der Phase der Kontaktsperre entstand auch ein Zeitdokument, welches nicht nur den Verlauf der Krise, sondern vor allem auch unseren Umgang damit reflektiert.